In Lichtenberg bemerkte ich ein unvollständiges Element, etwas, das nicht fertig gestellt ist, eine Arbeit, nur halb erledigt. Ich konnte jedoch nicht genau ausmachen, was es war. Dann wurde mir die Geschichte von Ost und West bewußter, dass die Mauer noch gar nicht so lange gefallen ist. Auf vielen Baustellen liegen Hinterlassenschaften von Dämmmaterialien. Das inspirierte mich, mit der Idee von INSIDE OUT zu spielen: Etwas, das in einem Gebäude sein sollte, wird von seinem eigentlichen Umfeld extrahiert und in eine neue Umgebung adaptiert. Ich begann mit Bauschaum zu experimentieren, ein von weich zu hart wechselndes Material. Aus einer Dose Bauschaum entstanden zehn verschieden große Skulpturen. Sie erinnern zum Teil an körperliche, zum Teil an eher zufällige, natürliche Formen. Ich sprühte sie mit kräftigem Kadmiumgelb an, einer Farbe, die auch auf den meisten Straßenschildern und -markierungen, Mülleimern in Berlin vorherrscht. Ich wollte mehr und voluminöser produzieren, auch höher, bezogen auf meine Körpergröße. Die Dosen waren nicht billig, deshalb besorgte ich ein weiteres form- und errichtbares Material: Maschendraht, leichtgewichtig und einfach zu bewegen. Ich platzierte die Arbeiten vorübergehend auf Straßen, in Parks, U-Bahnhöfen und vor einigen Gebäuden in Lichtenberg, in verschiedenen Szenarien und Situationen, bezogen auf Architektur und urbane Umgebung. Solch versetzbares Material zu benutzen machte es leicht, sich im Bezirk zu bewegen, auch mit der Idee im Kopf, einige der Arbeiten zurück nach Gibraltar für die Ausstellung mitzunehmen. In dieser sollen die Objekte im Raum von der Öffentlichkeit hin- und her bewegt werden, so, wie ich es in Lichtenberg gemacht habe. Ich persönlich finde es ziemlich schön und faszinierend, sie in der Hand zu halten.
Einen Atelierraum vom Moment des Aufwachens bis zum Ins-Bett-Gehen zu haben bedeutete, dass ich jederzeit und mit dem Komfort eines Eigenheimes arbeiten konnte. Das hat meine Arbeit stark beeinflußt. Wie ein wahrgewordener Traum. Ich fand es einfach, in Lichtenberg zu arbeiten und habe während meines Aufenthaltes viel gelernt. Es gibt dort so viel kreative und inspirierende Menschen, bereit zu helfen, Ideen und Material auszutauschen, über ihre Erfahrungen zu reden, enthusiastisch interessiert an dem, was du machst. Sie laden dich in ihre Ateliers und zu ihren Ausstellungen ein. Ich habe keine Aggressionen erfahren, eine ruhige Atmosphäre voller Liebe. Was mich an Berlin auch beeindruckt hat, ist wie gut Räume und Gebäude von Künstler*innen und Kreativen revitalisiert wurden, was die Stadt zu solch einem lebendigen Ort gemacht hat. Ich wünsche mir, dass so etwas auch in Gibraltar passiert – es ist eine „Win-Win-Situation“, es gibt keinen Grund, nicht eines der vielen leerstehenden Gebäude in Gibraltar zu einem Künstlerhaus mit Ateliers zu machen.