Spunk Seipel

Zwischen den Plattenbauten, die wie riesige Skulpturen in den nebligen Dezemberhimmel ragen, findet sich Unerwartetes. Ausgedehnte Parkflächen, die selbst im kalten Winter ein gutes Gefühl geben. Wer die Trabantenstädte Südeuropas kennt, kann hier nur ein Loblied auf die Stadtplaner der DDR singen. Lichtenberg ist in weiten Teilen eine Parklandschaft, die den Rückzug ins Private ermöglicht. Träume von einigen der innovativsten Architekten des 20. Jahrhunderts wurden hier Realität. Für Künstler müsste das der ideale Arbeitsort sein. Bedeutet eine Wohnung im Hochhaus nicht auch Konzentration?

Noch immer stehen in den Grünflächen des Bezirks zahlreiche Skulpturen und Wandbilder. Das auch in der DDR gepflegte Programm ‘Kunst am Bau’ hat hier bleibende Spuren hinterlassen. Lichtenberg ist ein Skulpturenmuseum, wie man es nicht oft findet.

Im kalten Dezember war es nicht immer leicht mit Menschen in Kontakt zu kommen. Die wundervollen Parkanlagen zwischen den Punkt- und Scheibenhochhäusern dienten selten einem längeren Aufenthalt. Den Menschen, die ich doch kennenlernen durfte, habe ich ein temporäres Denkmal gesetzt. Ich hängte Zeichnungen von ihnen an den Orten unserer Begegnungen auf. Dort sind sie dem Wetter und den Passanten ausgesetzt. So wie manche der Skulpturen und Wandbilder in den letzten Jahrzehnten verschwanden, so verschwinden auch diese Bilder. Nur viel schneller. Ein Zeugnis der kurzen Begegnung von Menschen im Bezirk.

Januar, 2021