Jürgen Palmtag

12 Lichtenberg – Songs ——- Berlin, 2. – 7. Februar 2013

Sechs Tage, vom 2. – 7. Februar, ging und radelte ich durch die Strassen und Wege des Berliner Bezirks Lichtenberg. Vom unteren Rand der Bezirkskarte (Ausgangspunkt die Lichtenberg Studios in der Türrschmidstrasse ) bis zum oberen, direkt an der Grenze zum Landkreis Barnim.
Konkrete Zielvorgaben hatte ich im Allgemeinen nicht – ich bewegte mich vielmehr eher intuitiv durch die Stadtlandschaft; die Karte diente höchstens als Korrektiv (wenn ich mal die Orientierung verloren hatte oder über das Ziel, die Bezirksgrenze, hinausschoss).
In erster Linie waren „field recordings“ meine „Beute“, die jeweiligen Orte, an denen ich meine Aufnahmen machte, wurden mit eher beiläufigen Fotos do-kumentiert. Ich besuchte Kneipen, Cafés, Bahnhöfe, Brachen, Naturschutzge-biete, Einkaufs- und Großhandelszentren —— versuchte vergebens, Tonauf-nahmen in Sportzentren und Kitas zu machen („geschützter Privatraum“).
Alle Tonaufnahmen wurden mit einem kleinen Harddisc-Recorder mal mehr, mal weniger verdeckt gemacht. So lag das Gerät z.B. vor mir auf dem Tisch oder hinter mir auf der Bank; ich hielt es im Gehen oder Stehen draußen in der Hand, was immer das bewusst eingegangene Risiko beinhaltete, „Störgeräu-sche“ jeglicher Art mit in die Aufnahme integrieren zu müssen.
Das waren brummende Lüftungen im Vordergrund, Windgeräusche —- die gab es fast immer!! —– und Fluglärm… Alle „Störgeräusche“ und Artefakte wurden nicht etwa aus den Aufnahmen herausgerechnet, sondern sind ein den Gesamtsound prägendes Element —— sie sind das atmosphärische Grundrauschen, das den Aufnahmen Lebendigkeit verleiht und das oft, wenn zum Beispiel in einer Kneipe kaum geredet wird, zusammen mit Hintergrund-musiken einen akustischen Raum schafft.
In zwei Fällen, dem kleinen Bunker in der Nähe des Barnimer Dörferweges und der Ruheplattform am Gehrensee, musste und wollte ich selbst in Aktion treten, da außer fernen Vogelgeräuschen und stetig an- und abschwellendem Flugzeuglärm nichts zu hören war —— also lief und trampelte ich, kratzte am
Gemäuer usw.
Beinahe alle 12 „ Songs“ sind mehr oder weniger deutlich mit Grooves oder fernen melodischen Loops unterlegt, die entweder aus Aufnahmefehlern, Hin-tergrundmusiken oder Sprachfetzen generiert wurden, denn ich wollte ja keine bloße Klangdokumentation abliefern, sondern durch Musikalisierung von Ge-räuschen und eine behutsame Dramaturgie kurze Lichtenberg-Songs machen. Diese können und sollten in Verbindung mit dem jeweiligen „Tatort-Foto“ an E-Mails z.B. des Bezirksamtes als „ Klimaschilderung“ des Bezirks Lichtenberg im Februar 2013 angehängt werden!!!

Februar, 2013