Lynn Pook

Im Rahmen des einmonatigen Austausch-Stipendiums von Lichtenberg Studios und DIEresidenz betrieb Lynn Pook diesen Sommer eine ungewöhnliche künstlerische Recherche. Für ihr Projekt durchkämmte die deutsch-französische Künstlerin die Spielplätze von Berlin Lichtenberg und fasste in einer anschließenden Ausstellung in Die, Frankreich, ihre Eindrücke in einer Installation zusammen, die Fotografien, Zeichnungen, Notizen und Videos vereint. Letztere sind nun auch in Berlin zu sehen.

„Meine Praxis basiert auf der Beobachtung des Körpers, des Individuums und dessen Wahrnehmung. Aus meinen Recherchen entstehen intime und sensible Dispositive, welche die Beziehungssysteme zwischen Betrachter und Objekt, zwischen Individuum und seiner Umgebung hinterfragen“, so Lynn Pook. Ihr Werk ist meist installativ und zeichnet sich durch die Verwendung verschiedenster Materialien und Medien aus. In der Tradition einer feministischen, horizontal strukturierten Herangehensweise schafft die Künstlerin die Grenze zwischen BetrachterInnen und Objekt ab und verwendet, wie sie sagt, „das Individuum als Ort und Material für eine temporäre Skulptur.“

Während ihres Aufenthaltes in den Lichtenberg Studios konstatiert Lynn Pook die große Quantität (und Qualität) der Spielplätze im Bezirk Berlin Lichtenberg. Sie durchquert den Bezirk per Fahrrad, um die verschiedenen, recht großen und meist begrünten Spielplätze künstlerisch zu erforschen. Die Künstlerin hat diese Recherche per Fotografie dokumentiert, aber auch in Skizzen und in Form von Videos.

Für ihre Ausstellung „Spiel Platz“ bei DIEresidenz in Frankreich konstruiert Pook eine Installation aus Holz, die es erlaubt, all diese Elemente zu verbinden. Wie die in ihr eingebundenen Fotografien ist auch die spielerische Installation, die direkt auf die in Berlin besuchten Spielplätze verweist, von geometrischen Formen und Primärfarben geprägt. Beeinflusst durch das Werk der brasilianischen Künstlerin Lygia Clark schafft Lynn Pook eine interaktive Skulptur, die das Publikum einlädt, mit ihr in eine körperlich-räumliche Beziehung zu treten und auf interaktive Weise Kunst zu erfahren.

Die Videos, die auf einem gebastelt anmutenden ‚Fernseher’ innerhalb der Struktur gezeigt werden, dokumentieren die Performances, die Pook auf ausgewählten Spielplätzen ‚ihres Kiezes’ realisiert hat. Mit einem langen roten Rock und einem blauen Kapuzenpulli bekleidet erinnert sie an eine Superheldin. Ihr mit einer Strumpfhose bedecktes Gesicht, ihre roboterhaften Bewegungen und der Effekt des Zeitraffers im Video verstärken den Eindruck, es handele sich um eine Art lebendige Puppe. Naiv wie die Hauptperson von Luc Bessons Film „Das fünfte Element“ (oder aber wie ein Kind) testet dieses abstrakte Wesen alle unwiderstehlichen Hindernisse, die ihm in den Weg kommen.

Mit betont steifen Haltungen und repetitiven Bewegungen scheint Lynn Pook, die seit Jahren Improvisationstanz praktiziert, einer Choreographie zu folgen, obwohl sie an jedem Ort in situ improvisiert. Ihre Experimente mit den gegebenen Strukturen und der Schwerkraft weisen gleichsam eine spielerische wie absurde Note auf. Diese Aneignung der Kinderspielplätze kann letztlich als Allegorie auf das Leben an sich gesehen werden. Künstlerinresidenzprogramm in Die, Frankreich, im Herbst im Austausch mit Berlin. (Conny Becker, DIEresidenz 2019)

November, 2019