Lacy Barry

Aus meiner Zeit in der Victoriastadt, die ich im Raum für Freiraum oberhalb des Lichtenberg-Museums verbracht habe, habe ich mir ein Bild gemacht, das sich aus den Parks, Plätzen, Bewohnern, Häusern, der Geografie und der Natur speist. Bei meinem Besuch mitten im Frühling erlebte ich, wie an vielen Orten, ein Aufblühen der Knospen und eine aufkommende Lebendigkeit, als würde man aus einem langen, nährenden Schlummer erwachen. Vor allem in der Victoriastadt kam das jahreszeitliche Erwachen mit einer Leichtigkeit, die sich weitläufig und warm anfühlte. Tief verwurzelt mit Edelsteinen der Geschichte, deren Geheimnisse aus den raschelnden Blättern der Bäume geflüstert wurden, die zwischen den gepflasterten Straßen wuchsen, die stolz von den seltsamen Hauswipfeln verkündet wurden, und die aus den abgeschiedenen Winkeln unter den Brücken funkelten, habe ich das alles mit allen Sinnen aufgesaugt.

Geheimplatz Berlin Podcast

Folge 10 – Eine Stadt in der Stadt

Etwas außerhalb der Berliner Ringbahn liegt ein kleiner historischer Knotenpunkt, eine ruhige Enklave, die aus einer Zeit stammt, als die deutsche Industrie auf ihrem Höhepunkt war und technologische Entdeckungen regelmäßig auftauchten. Die Victoriastadt, benannt nach der britischen Königin, beherbergte Arbeiter, die in großen Mengen Wolle und Pelze für den Konsum ihres Königreichs spannen. Dies war der Startschuss für die Herstellung von Textilien, Beton, Eisenbahnbremsen und Pelletskugeln. Einige Relikte sind noch erhalten, aber für Pendler kaum wahrnehmbar, es sei denn, man sieht sie während einer Fahrradtour oder vom Zugfenster aus, denn die kleine Stadt ist von diesen silbernen Schlangen umgeben, die die Züge an ihr vorbeiführen. Die Bahngleise bilden die Grenzen der Victoriastadt, und ihr schrilles Wiegenlied ist der Soundtrack, der für eingekapselte Fata Morganas steht, die rasend schnell vorbeiziehen… um in einem Moment da und im nächsten wieder weg zu sein. Doch alles ist gut in der kleinen, sanften Stadt, die eine enge Gemeinschaft von Handwerkern, Historikern, Familien und so weiter beherbergt… eine Ansammlung von Menschen, die das Ergebnis von mehr als einem Jahrhundert an Entwicklungen sind. Obwohl die Victoriastadt heute nicht mehr als Wohngebiet für Arbeiter dient, die in den nahe gelegenen Fabriken beschäftigt werden, sind die Überreste ihrer Ursprünge immer noch vorhanden. So beherbergt eine Telefonzelle zwar nicht mehr die Telefonanlage, für die sie bestimmt war, aber in ihrer Hülle ist ein neu entwickeltes Kunsthandwerk untergebracht. Ein Turm, der einst verflüssigte Moltonmetalle abwarf, um sie zu gewinnen, ist über einem Reihenhausblock außer Betrieb. Und die robusten Brücken, die rasende Züge sicher über die Einfallstore der Victoriastadt heben, beherbergen geheimnisvolle Lichtskulpturen unter sich. Glühende Engel im Verborgenen, die wie würdige Wächter darauf warten, den Weg für Neugierige zu erleuchten und ihnen den verborgenen Zauber einer Stadt in der Stadt zu zeigen, der sie erwartet.

August, 2021