DIEresidenz 2019

Ausstellung Lichtenberg Studios Dezember 2019

Schaufenster, Türrschmidtstr. 24

Berit Myrebøe – Super position
Lynn Pook – Spiel Platz

Künstlergespräch und Umtrunk: Sonntag, 15. Dezember um 17 Uhr

Ausstellungsdauer bis 2. Februar 2020

Seit 2018 besteht eine Kooperation zwischen den Lichtenberg Studios und der DIEresidenz in einem bei Die, Frankreich, gelegenem Haus, in dem die Kuratorin Conny Becker mit ihrer Familie lebt. Das Haus liegt zwar nur 10 Minuten mit dem Fahrrad von Die entfernt, aber dennoch völlig abgeschieden, am Rande des “dunklen” Waldes. Für die jeweiligen Resident*innen stehen eine Einliegerwohnung und ein Atelier zur Verfügung. Der Austausch findet im September/Oktober statt, ein(e) Resident*in aus Frankreich kommt im September in die Lichtenberg Studios und ein(e) Berliner Künstler*in fährt Mitte September nach Die. Mitte Oktober findet im Atelier der DIEresidenz eine Ausstellung der beiden Künstler*innen statt. Den Anfang machten letztes Jahr Yann Le Crouhennec aus Die und Anne Staszkiewicz aus Berlin. Die “Ergebnisse” des diesjährigen Austausches zeigen wir nun in einem kleinen Ausschnitt im Schaufenster.

Bei ihren Recherchen in Lichtenberg fielen Lynn Pook die Spielplätze und vor allem ihre Mannigfaltigkeit und Vielzahl auf. Aus Frankreich war sie es gewohnt, eher wenig interessante, häufig etwas verwahrloste Plätze vorzufinden, die wenig zum Spielen oder Aufenthalt einluden. Umso mehr faszinierte sie die kreative Vielfalt der Anlagen und der einzelnen Spielgeräte sowie ihrer Materialität – meist wird in Lichtenberg Holz verbaut. So begann Lynn Pook, die auch für Theaterproduktionen (Bühnenbild/Kostüm) arbeitet und in ihrer Kunst einen körperlichen Zugang sucht, diverse Spielplätze zu beobachten. Sie sprach mit Menschen, die sie vor Ort traf, und schaute sich vor allem an, wie sich die Kinder den für sie geschaffenen Ort aneigneten, wie sie sich bewegten und welche Strecken sie zurücklegten. Aus dieser Recherche, die auch mit Skizzen und Fotos dokumentiert wurde, welche in der aktuellen Ausstellung leider nicht gezeigt werden können, entwickelte Lynn Pook eine Choreographie, die sie dann filmisch umsetzte.

Berit Myrebøe schafft imaginäre Landschaften auf Aluminium oder – wie bei DIEresidenz – auf Papier, indem sie Bilder und Materialien schichtet. Die Technik erinnert an die Fotografie der Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre, als die fotografische Überlagerung zunächst aus einem Unfall entstand und KünstlerInnen in der Folge das Fotopapier mehrfach bedruckten oder mehrere Negative im Entwicklungsprozess kombinierten.

Doch Myrebøe macht mehr als „nur“ Fotografie. Vielmehr kämpft sie gegen die Fotografie, indem sie diese Schicht für Schicht ändert. Ihre Arbeiten beginnen also lediglich mit einem Foto – dem einer Landschaft oder eines menschlichen Körpers. Bei der Auswahl dieser „Foto-Skizzen“ (so die Künstlerin) bevorzugt sie Aufnahmen, die eine Bewegung, einen Moment des Übergangs festhalten, etwas undeutlich sind und bereits einen malerischen Aspekt aufweisen. „Übergang“ ist ein Schlüsselwort in Myrebøes Arbeitsweise, denn das Motiv bleibt nie dasselbe.

Ihre Foto-Skizzen überträgt die Künstlerin auf Aluminiumplatte, und zwar mithilfe des Umdruckverfahrens, einer Drucktechnik, mit der etwa in der Lithografie das spiegelverkehrte Bild wieder gewendet wird. Einmal auf Metal, entfernt Myrebøe den Kontext ihres Hauptmotivs mittels diverser Lösungsmittel und fügt Schichten oder Elemente mit Ölfarbe hinzu. Von dieser Intervention macht sie erneut ein Foto, das über mehrere Zyklen auf die gleiche Weise behandelt werden kann.

In Die arbeitet Myrebøe auf Papier und überlagert dabei Blätter unterschiedlicher Textur, Weißabstufung und Transparenz. Sie kratzt und schmirgelt Teile der zuvor gedruckten, transferierten Bildunterlage weg, zeichnet und malt auf ihr mit Kohle, Kreide, Ölfarbe und Farbsprays. Durch das Auftragen von Lacken oder Leinöl gewinnt sie transparente oder glänzende Bildpartien, womit sie Details des „Original“-Bildes – von dem sie sich mehr und mehr entfernt – hervorhebt oder verbirgt. Auf diese Weise verwandelt sich die initiale Fotografie zunehmend in eine Zeichnung, Collage oder Malerei.

Die Künstlerin arbeitet häufig seriell mit demselben Motiv, das sie jedoch mit unterschiedlichen Schichten überlagert und unterschiedlich überarbeitet, um jeweils bestimmte Elemente zu betonen. Die Wiederholung des Motivs erinnert an Filmsequenzen – auch wenn Myrebøe keine Geschichte erzählt. Es handelt sich vielmehr um nebeneinander gestellte Momentaufnahmen, Traumfetzen oder Erinnerungen.

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Hierzu möchten wir sie herzlichst einladen.

November, 2019